Markenpersönlichkeit und Markencharakter

19. Dezember 2024

Markenpersönlichkeit und Markencharakter: warum das eine immer da ist, und du das andere immer entwickeln musst

Colin Kaepernick ging regelmäßig auf die Knie. Vor den Spielen seiner San Francisco 49ers kniete der Footballspieler im Sommer 2016 während der Nationalhymne hin, um gegen Rassismus in seinem Land zu protestieren. „Ich werde nicht aufstehen und Stolz für eine Fahne demonstrieren, die für ein Land steht, das Schwarze und andere Farbige unterdrückt“, erklärte er später. Sein Vertrag bei den 49ers lief zu Beginn des Jahres 2017 aus. Sein Club verlängerte ihn nicht. Einer der besten Spieler der NFL war raus. Bis heute.

Kaepernick hat Haltung gezeigt, Charakter bewiesen. Ist er auch eine Persönlichkeit? Zweifellos. Was für Kaepernick gilt, trifft auch auf Marken zu. Sie haben Charakter und Persönlichkeit. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Ohne Charakter und ohne Persönlichkeit gibt’s keine Marke. Die beiden Begriffe sind keine Synonyme, sondern zwei Elemente einer Marke, die sich differenzieren lassen – die jeder, der eine Marke verantwortet, differenzieren muss.

Markencharakter: innere Stabilität

Mit welchen Worten würdest du den Charakter eines Menschen beschreiben? Deinen besten Freund vielleicht mit Integrität, Toleranz, Ehrlichkeit, Respekt oder auch etwas Impulsivität. Und den Angeber von damals, in der achten Klasse? Egomanisch, rücksichtslos, hinterlistig, eingebildet? Wie auch immer wir irgendjemanden beschreiben: die Merkmale sind tief in dieser Person verwurzelt.

Treffen wir den Angeber 20 Jahre später beim Klassentreffen, hat sich unter Umständen kaum was verändert. Selbst wenn sich was verändert hat, sind viele seiner Charaktereigenschaften nach wie vor präsent. Ein Charakter ist zwar nicht unveränderlich, aber er hat eine hohe Stabilität. Im Regelfall bleiben wir ein Leben lang unseren inneren Eigenschaften treu.

Der Charakter hat noch eine weitere Besonderheit. Wie lange dauert es, bis du den Charakter eines Menschen beschreiben kannst? Sag nicht „eine Woche“. Es dauert lange, bis wir einen Charakter erkennen. Aber wir glauben, schnell durchzublicken und zu wissen, woran wir bei einem Menschen sind. Tatsächlich beschreiben wir dann was anderes. Dazu gleich mehr.

Der Markencharakter markiert die Basis

Marken haben Werte und grundlegende Bekenntnisse. Manche Marken halten jahrzehntelang daran fest. Das nennen wir den Markencharakter oder die Markenidentität. Der Markencharakter ist die solide Basis einer Marke. Wenn es im Markt turbulent zugeht, wenn ein Umbruch ansteht oder die Branche durch eine Krise muss, verändert sich vieles – aber am Charakter rüttelt keiner. Das ist gut so, denn der Markencharakter verleiht einer Marke Stabilität. Werte wirft man nicht spontan über Bord, nur weil der Wind sich dreht.    

Die Marke Mercedes steht schon gefühlt ewig für Prestige, Wertigkeit oder Zuverlässigkeit. Der Charakter des Wettbewerbers BMW steht für Agilität, Leistung, Fahrspaß. Das bedeutet nicht, dass man in einem Mercedes keinen Fahrspaß haben kann oder einem BMW die Wertigkeit fehlt. Im Charakter sind die Merkmale verankert, mit denen sich die Marke selbst am stärksten identifiziert und die sie für sich als verbindlich ansieht.

Markenpersönlichkeit: das Erlebnis mit der Marke

Sympathisch oder abweisend? Humorvoll oder griesgrämig? Offenes Lachen oder fieses Grinsen?

Mit Marken ist es wie mit Menschen: beide haben eine Wirkung nach außen. Diese Wirkung liegt in der Persönlichkeit. Anhand der Markenpersönlichkeit schreiben wir der Marke menschliche Eigenschaften zu und machen sie für uns emotional greifbar. Wie wir eine Marke erleben, liegt in vor allem ihrer Persönlichkeit. Wie wir einen Menschen erleben, liegt in seiner Persönlichkeit.

Nochmal kurz zurück zum Thema „Charakterbeschreibung“. Wenn wir einen Menschen kennenlernen und ihn anschließend beschreiben sollen, reden wir genau genommen über die Persönlichkeit, also die Außenwirkung. Den Charakter lernen wir erst nach einiger Zeit kennen. Deshalb können wir anfangs fasziniert sein von der Persönlichkeit und später tief enttäuscht werden vom Charakter.

Persönlichkeit löst Emotionen aus

Für Kunden ist die Markenpersönlichkeit eine überwiegend emotionale Angelegenheit. Es sind die Wow-Momente, die uns an eine Marke binden. Nur wegen der Markenpersönlichkeit verlieben wir uns in Schuhe. Verlieben! In Schuhe! Lederhülle, Gummisohlen, Schnürsenkel aus was-weiß-ich. Und ein fettes Preisschild dran. Egal. I love it. Markenpersönlichkeit.

Konstanz versus Dynamik    

Die Markenpersönlichkeit ist flexibler als der in sich ruhende Markencharakter. Der Charakter hält Jahre. Die Persönlichkeit folgt dem Zeitgeist. Wenn der Trend nach lila schreit, werden die Schuhe nächste Saison lila sein. Wenn die Absätze in einem anderen Markt flacher sein müssen – dann wird genau das passieren. Die Markenpersönlichkeit bringt den Markencharakter zum Ausdruck, aber sie hat dabei immer eines im Blick: die Kunden. Deshalb macht die Markenpersönlichkeit auch mal Zugeständnisse, die der Charakter nie gewähren würde.   

Halten wir fest: Der Markencharakter (oder: Markenidentität) ist die beständige Basis einer Marke.

Wie wir diese Marke erleben, beschreibt die Markenpersönlichkeit. Der Charakter fragt: Wie bin ich? Der Persönlichkeit fragt: Wie wirke ich? Zwischen beiden gibt es Verbindungen, aber auch Abweichungen. Das ist wie bei uns Menschen. Wenn ein Mensch zurückhaltend ist, dann bleibt er gegenüber anderen auf Distanz. Das entspricht seinem Charakter. Ist dieser Mensch Lehrer von Beruf, muss er täglich über seinen Schatten springen, um seine Persönlichkeit positiv zu präsentieren.

Wie erkennen wir Charakter und Persönlichkeit unserer Marke?

Wer eine Marke neu entwickeln oder weiterentwickeln will, muss sich mit dem Markencharakter und der Markenpersönlichkeit auseinandersetzen. Das bedeutet im Wesentlichen zwei Dinge: man muss sich über die Werte seiner Marke im Klaren werden. Gerade für EinzelunternehmerInnen oder Kleinunternehmen heißt das, die Merkmale kennenzulernen, die schon lange da sind. Dabei ist die Archetypenmethode, die wir in unseren Markenworkshops einsetzen, ein tolles Werkzeug.

Für die Markenpersönlichkeit gilt es herauszufinden, wie die Marke auftreten und wie sie Emotionen wecken soll. Wichtig ist dabei, seine potenziellen Kunden zu kennen. Wer lässige Kunden hat, sollte lässig auftreten. Und wer Humor als Charakterzug hat, wird sich mit Lässigkeit leicht tun. Fließen Charaktereigenschaften in die Persönlichkeit ein, wird die Marke authentisch.

Damit sind wir wieder bei Colin Kaepernick. Sein wiederholter Kniefall war authentisch, weil das nach außen trat, was innen schon immer da war. Ein aufrichtiger Charakter zeigte sich als starke Persönlichkeit. Hut ab.

 

 

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